aus der Reihe working-class-heroes vom Ostendplatz von pauli heinzelmann
Meine Betreuerin im Job-Center schielte krätzig über ihre getönte Lesebrille:
"Also mit Hartz 4 läuft nix." Ihre schmalen Lippen verzogen sich zu einem höhnischen, beinahe mitleidigen Grinsen. "Hätten Sie was Gscheites gelernt, dann bräuchten sie jetzt nicht" bitte" sagen. Sie sind zwar schon weit in der zweiten Lebenshälfte , praktisch unvermittelbar, aber ein job als Auslieferungsfahrer kann ich ihne gut zumuten. Da sind sie weg von der Straße, kommet unter d´ Leut´und lange Arme haben sie auch, also..."
So begann ich meine Karriere als Auslieferungsfahrer für Feinkostprodukte (Essen auf Räder,Premium-Klasse, in der Art) mit Sprinter, für eine Firma am Flughafen Echterdingen. Pauschallohn, egal wie lange du fährst, Überstunden werden nicht bezahlt, kein Urlaubsgeld, kein Weihnachtsgeld, macht übern Daumen knapp 1.000 Euro netto. Das wars. Um Anfangs-Stress abzufedern nahm ich meinen Kumpel Manni als Helfer mit, auch ein lebenslanger Hilfsarbeiter, Niedriglöhner und Prekärer, genau wie ich, der sich mit obskuren jobs als Möbler, Cover-Musiker, Kiosk-Koch und Bierzapfer durchs Leben gebracht hat - aber das ist eine andere Geschichte.
Letzte Anlaufstelle der Tagestour: Stuttgart-Herdweg, Halbhöhenlage.
Es war schon beinahe dunkel, als wir vor der Altbauvilla am Herdweg den der Kies-Auffahrt zum Stehen brachten. Sofort leuchteten überall die Bewegungsmelder auf und eine metallene Stimme schnarrte uns an:
".....hier könnet sie net parke, der Parkplatz gehört uns, sehn sie net die Kette mit unserem Autokennzeichen....? außerdem kriegen wir Besuch."
An der Haustür erschien jetzt ein fetter Kerl mit Brilli im Ohr.
Er grinste breit und zeigte mir seine Blendaxreihe implantierter Beißerchen in der Preisklasse eines Kleinwagens. Neben ihm stand eine Blondine im tanktop mit etwas welkem Alters- Sex, Marke Girlie-Spätlese.
"......Ach sie bringet das Catering-Buffet, ja kommet sie nur rein, unsere Gäste kommen gleich....". Und da stand die Partygesellschaft auch schon gierig an der Tür: ...aber Hallo! Bussi! Bussi!...du ich trinke gleich mal an "Hugo", da wird man immer so luschtig...gibts heut wieder Schwartenmagen ? Einfach super!...eingemachte Kellerstaffel...?...das hab ich jetzt noch nie gehört, aber a heißes Süpple oder Hirn gebacke,...des isch lecker, oder?..Schwarzwurscht in Essig und Öl...da gabs früher immer noch an Nikolaschka hinterher, des war ja so zünftig,, - du, i war extra no beim Friseur, schaumal, da gibts "Herz sauer" und" Kutteln mit Röstkartoffel", sowas kriegsch nur hier ..., das kannst du mit diesen normalen Parties gar nicht vergleichen, endlich mal kein Vivaldi...unter uns... ich bin ja sozial nicht verbittert... aber irgendwie; sag i dir, hat man oft das Gefühl, gleich geht einer mit dem Hut rum und sammelt für die Flüchtling. Du, ja Kussi! Bussi! Sims mal!...
Zugegeben, unser Aufbruch war etwas überstürzt, aber es war ja schon weit nach Feierabend und wir hatten es eilig vom Acker zu kommen.
Wir nahmen nicht die Kiesauffahrt sondern entschieden uns für die Abkürzung quer durch die Blumenrabatte, dumm nur ich hatte zuerst den Rückwärtsgang drin, fand dann krachend Bande an der Veranda, wieder ersten Gang rein und der Sprinter machte einen gewaltigen Satz nach vorne, touchierte ein wenig den weißen, recycelten Plastikgartenzaun und schoß die Kräherwaldstrasse runter, das Navi ist dir in dieser Situation ja auch keine wirkliche Hilfe.
Auf dem Rückweg zischten wir beim Brunnenwirt ein frisches Weizen.
Schwefelgelbe, Smog- und Feinstaubwolken verdunkelten den Stuttgarter Kessel. . Die Abendsonne überm Leo leuchtete dunkelrot. Das dieser gottverdammte Blues nie zu Ende geht - es ist zum Heulen.